Die Komponistin
Martha von Castelberg bekam in ihrer Jugend eine umfassende musikalische Förderung. Joseph Ebner, Mitglied des Zürcher Streichquartetts, gab ihr Violinunterricht. Später war sie Schülerin des berühmten Violinisten und Dirigenten Alexander Schaichet, dem Gründer des Kammerorchester Zürichs. Das Klavierspiel brachte sie sich autodidaktisch bei. Sie improvisierte täglich und begann schon früh ihre Musik auch aufzuschreiben. Bekannte Musiker pflegten den Kontakt zur Familie, möglicherweise haben diese sie bei den Grundlagen des Komponierens unterstützt. Ihre ersten überlieferten Lieder stammen aus dem Jahr 1912.
Ihre Eltern standen einer musikalischen Berufung und einer professionellen Ausbildung skeptisch gegenüber und so wurde ihr ein Musikstudium verwehrt.
Ihre tiefe Religiosität führte sie zur Vertonung kirchlicher Texte: Geistliche Vokalmusik, wie Lieder und Motetten, stellt einen gewichtigen Teil ihrer über 70 Werke dar.
Sie komponierte rund 20 Motetten auf lateinische und deutsche geistliche Texte. Der vierstimmige A Cappella-Gesang à la Palestrina entsprach ihrem Ideal von der «wahren» katholischen Musik. Hier orientierte sie sich an den kirchenmusikalischen Reformen des Caecilianismus.
Auch in vielen Liedern mit Begleitung von Klavier oder Orgel vertonte sie geistliche Texte.
Ihre Verbundenheit mit der Kultur der Surselva (Bündner Oberland) widerspiegelt sich in den weltlichen Liedern auf Gedichte rätoromanischer Schriftsteller. Die Klavierlieder Die wilde Biene, Alpen-Enziane entstanden in einer frühen Schaffensphase. 1920 vertonte Martha von Castelberg mit Bitte neuste Literatur: das Gedicht stammt von Hermann Hesse. Die volkstümlichen Lieder auf Gedichte von Alfons Tuors Il pur suveran oder Allas steilas und Wandern (Jakob Hess) stammen aus den 1930er Jahren.
Lange beschäftigte sich die Komponistin mit einer Messe für Soli, Chor und Orchester: sie brachte diese in den Jahren 1947/1948 zu Papier. Aus diesen Jahren stammt auch eine kurze Sonate für Klavier. Mit Ausnahme dieses Werks schrieb die passionierte Geigerin Martha von Castelberg auffallend weder Werke für Violine noch reine Kammermusik.
Von ihrem reifen Stil zeugen die späten Lieder Dämmerung und Die Nachtigall, bei welchen der Klavierpart eigenständig und differenziert ist. Das melancholische Spätwerk Domine, non sum dignus für Alt und Orchester entstand wohl für renommierte Schweizer Sängerin Elsa Cavelti, die es 1968 mit Otto Gerdes für Radio Beromünster aufnahm.
In den Jahren 1947 veröffentlichte Martha von Castelberg bei Musik Hug-Verlag bei der Edition Jans in Zürich Sieben geistliche Lieder für Singstimme und Klavier, 1953 in der Edition Jans in Luzern eine Sammlung von Chorwerken.
Im Auftrag der Stiftung erschliesst ein internationales Team den musikalischen Nachlass, der überwiegend aus undatierten Autographen besteht. Seit 2021 erscheint mit der MvC-Edition (hrsg. von Knud Breyer) der nach kritischen Gesichtspunkten abgesicherte Notentext sämtlicher Kompositionen. In 8 illustrierten und kommentierten Bänden wird der Öffentlichkeit so erstmals das Gesamtwerk in gedruckter Form zugänglich gemacht.
Die Martha von Castelberg-Edition wendet sich nicht nur an professionelle Musiker*innen und Forschende, das Werk eignet sich auch für Chöre und Laienmusiker*innen. Die Stiftung kann die Aufführung fördern und unterstützen.