Persönlichkeit und Dynamik
Claudia, das Werk von Martha von Castelberg (1892–1971) war lange Zeit in Vergessenheit geraten. Wie kam es dazu, dass das VOX Ensemble im Jahr 1999 als erste Lieder und Motetten von Martha öffentlich aufgeführt hat?
Ich kannte Guido, den Sohn von Martha von Castelberg, schon länger. Wir lernten uns ca. 1995 im Zusammenhang mit dem Kammerchor Giuseppe Oss kennen, wo ich damals sang. Guido brachte einmal eine LP mit Werken seiner Mutter (Kammerchor Johannes Fuchs bzw. Elsa Cavelti) vorbei. Später traf ich Guido ab und zu per Zufall im Odeon am Bellevue, wo er sich oft aufhielt. Im Jahr 1999 hatte ich eine Anfrage für ein Konzert mit Werken von Komponistinnen. Aufgrund dieser Anfrage nahm ich mit Guido Kontakt auf. Wir trafen uns dann in seiner Wohnung an der Stockerstrasse, wo er mir das handgeschriebene Werk seiner Mutter zeigte. Daraus entstand der erste Auftritt mit Werken von Martha von Castelberg in Riehen/Basel.
War Guido bei diesem Konzert anwesend?
Ja, das war er. Wir führten in den folgenden Jahren (1999–2004) an verschiedenen Orten Werke von Martha auf. Guido war bei diesen Konzerten wenn immer möglich anwesend. Ich erinnere mich, dass er jeweils mit dem Taxi an die Konzerte gefahren ist. Guido war sehr stolz auf seine Mutter. Und er hatte grosse Freude daran, dass die Musik seiner Mutter nun aufgeführt wurde. Guido sagte immer wieder zu mir: «Claudia, du bisch än Engel». Ich habe damals auch regelmässig in der Kirche Kilchberg gesungen. Da der damalige Pfarrer Lucius Huber vom Werk von Martha sehr angetan war, habe ich oft im Gottesdienst auch Lieder von Martha aufgeführt. Guido war fast immer anwesend. Beim «Wiegenlied» (Canzun de Tgina) kamen ihm oft Tränen.
Das VOX Ensemble hat in den vergangenen Jahren diverse Konzerte mit Musik von Martha von Castelberg aufgeführt. Was fasziniert Dich am Werk von Martha?
Die Musik zeichnet sich durch ihre Tiefe aus und hat oft etwas Schmerzhaftes inne. Martha hat diese verinnerlicht, was man spürt. Auch die überraschenden und sehr reizvollen Harmoniewechsel gefallen mir. Die Motetten sind zudem technisch sehr anspruchsvoll und man benötigt einen grossen Stimmenumfang. Auch das Notenbild, also die Handschrift von Martha von Castelberg, faszinieren mich. Das Notenbild des Spätwerks weist eine ganz besondere Persönlichkeit und Dynamik auf.
Wie kam es dazu, dass das VOX Ensemble im Jahr 2017 – 2 Jahre nach dem Tod von Guido und 13 Jahre nach dem letzten Konzert mit Musik von Martha – wieder das Werk von Martha aufgeführt hat?
Nach dem Tod von Guido (2015) erinnerte ich mich an ihr Werk und verspürte den Wunsch, diese Musik wieder aufzuführen. Ich kannte auch Carlo von Castelberg, den zweiten Sohn von Martha. Carlo war Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft und ich arbeitete dort. Er war sozusagen mein Chef. Carlo interessierte sich aber viel weniger für das Werk seiner Mutter als es Guido tat. Ich traf dann per Zufall im Kunsthaus Zürich die Witwe von Carlo. Sie stellte dann den Kontakt zu Brida von Castelberg und damit zur Martha von Castelberg-Stiftung her.
Was beinhaltet das Martha von Castelberg gewidmete Konzertangebot des VOX Ensemble «De Profundis – Eine Frau komponiert in der Stille ihrer Zeit»?
Das VOX Ensemble bietet ein Konzert mit A Cappella-Motetten sowie weltlichen- und geistlichen Liedern von Martha von Castelberg (1892–1971) an. Das Programm kann auf Wunsch moderiert werden und umspannt alle Schaffensperioden. Ebenfalls bietet das Ensemble eine Einführung zum Leben und Werk von Martha von Castelberg an. Neben der Musik erachte ich insbesondere auch das Leben von Martha von Castelberg, eine autodidaktische katholische Komponistin im reformierten Zürich Anfangs des 20. Jahrhunderts, als besonders spannend.
Mitglieder des VOX Ensemble:
Claudia Dieterle (Sopran)
Alexandra Forster (Mezzosopran)
Javier Hagen (Tenor / Countertenor)
Norbert Gunther (Bariton)
Kontakt:
www.voxensemble.ch
